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Gefühle am Arbeitsplatz – nein danke oder ja bitte?

Ein Beitrag von Martina Stadler

Egal wo wir sind oder was wir tun – überall liegen sie auf der Lauer: Emotionen und Gefühle … Wobei im Folgenden mehr von der unangenehmen Sorte dieser Lebensgefährten die Rede ist. Am Arbeitsplatz fällt es vielen von uns besonders schwer, mit ihnen umzugehen. Der abgeschmetterte Vorschlag, eine verletzende Bemerkung oder "nur" die Kaffeetasse des Kollegen, die partout den Weg in die Spülmaschine nicht findet … Und schon überfallen sie uns: Ärger, Wut, Angst, Bitterkeit, Enttäuschung, Scham, Ohnmacht …

Impulsive Menschen denken nicht lange darüber nach. Ein anständiges Gewitter reinigt die Luft!
Auch wenn ihnen dieser Wutausbruch fortan den Ruf eines Cholerikers einbringt. Dünnhäutige dagegen verlieren schon mal den Kampf mit den Tränen und gelten nicht selten als „hysterisch“.
Dann doch lieber diesen ständigen Lebensbegleitern Asyl in der Schreibtischschublade gewähren, nach Dienstschluss in die Tasche stecken und erst zuhause freien Lauf lassen. Wehe dem, der einem dann als Erster über den Weg läuft …

Also Gefühle zuhause lassen!?

Trotz dieser unausgesprochenen Geschäftsregel löst auch unser Arbeitsalltag Gefühle jeglicher Couleur aus. Wissenschaftler fanden längst heraus: Unterdrückte Gefühle kommen uns teuer zu stehen. Zum einen lässt sich mit schlechter Stimmung im Team kein Blumentopf gewinnen. Zum anderen belasten lange Ausfälle wegen Krankheit (z. B. durch Bandscheibenvorfälle, Tinnitus oder Burnout) sowohl den Mitarbeiter als auch das Unternehmen.

Emotionale Intelligenz heißt das Zauberwort, das auch Geschäftsführer aufhorchen lässt.

Führungskräfte brauchen zunehmend eine hohe Kompetenz, Emotionen zu erkennen und sie bei sich selbst zu kontrollieren

Gerade Führungskräfte brauchen zunehmend hohe Kompetenzen darin, Emotionen zu erkennen und sie bei sich selbst zu kontrollieren.

Dennoch führen Gefühle in unserer Kultur eher ein Schattendasein. Die wenigsten unter uns haben gelernt, konstruktiv mit ihnen umzugehen. Wir werden eher dazu trainiert, außenorientiert zu leben, als mit uns selbst in Kontakt zu sein. Unser Leben spielt sich mehr im Kopf ab: „Was denken wohl die anderen darüber, was ich sagen und tun sollte?“ Unser Repertoire an Schimpfwörtern ist oft umfangreicher als der Wortschatz, mit dem wir unseren Gefühlszustand klar beschreiben können.

Grund genug dafür, sich mit unserem Innenleben näher zu beschäftigen.

Was sind Gefühle?

Gefühle sind der Antrieb unseres Lebens und ein Indikator für erfüllte beziehungsweise unerfüllte Bedürfnisse

Sie sind der Antrieb unseres Lebens und grundsätzlich ein Indikator für erfüllte beziehungsweise unerfüllte Bedürfnisse. Echte Gefühle lügen nicht, darum können sie etwas schaffen, was für jede Beziehung und damit für jede Zusammenarbeit essenziell ist: Vertrauen.

Wozu dienen Gefühle? Gefühle beeinflussen stark die menschliche Kommunikation. Sie sind die Triebkraft in Konflikten und der Schlüssel zu gegenseitigem Verständnis. Nur über den Ausdruck von Gefühlen können wir uns anderen Menschen glaubwürdig mitteilen – wirken wir authentisch. Ohne Gefühle als Wegweiser fehlt uns die Orientierung, was uns gut tut und was uns schadet.

Wie entstehen Gefühle? Na – das ist doch klar! Der andere ist schuld an meinen Gefühlen. Der ärgert mich! Vielleicht wurde auch Ihnen in der Kindheit mit Sätzen wie: „Da ist Mama aber traurig, wenn
du …“, vermittelt: Oh – ich verursache die Gefühle anderer Menschen! In Wahrheit erzeugen wir Emotionen selbst: indem wir eine sinnliche Wahrnehmung (sehen, hören, riechen … ), die alleine noch keine verursachende Kraft hat, im Gehirn abgleichen und bewerten.

Erst mit unserer persönlichen Bewertung einer Situation entsteht die emotionale Reaktion

Also erst mit unserer persönlichen Bewertung einer Situation entsteht die emotionale Reaktion.

Okay – schön und gut. Und was bringt mir dieses Wissen jetzt in meinem Job?

Ich komme morgens ins Büro. Beim Anblick von benutztem Geschirr auf der Spülmaschine verfliegt meine gute Laune: „Wie oft soll ich denn das noch sagen!? Bin doch nicht der Küchendienst hier!“ Und schon droht dicke Luft.

Gefühle haben eine Signalfunktion

Stopp! Ich erinnere mich: Gefühle haben eine Signalfunktion. Sie bringen uns dann in die positive Kraft, wenn wir eine Brücke zwischen der tatsächlichen Situation und unseren Bedürfnissen/Interessen schlagen.

Um was geht es mir genau? Fühle ich mich von den anderen ausgenutzt? Hab ich das Gefühl, den anderen ist Ordnung und Sauberkeit egal? Vorsicht! Nicht in allem, was sich nach Gefühl anhört, ist auch Gefühl drin. Die deutsche Sprache verwendet auch bei Schuldzuweisungen oder Gedanken die Wörter „fühlen/Gefühl“.

Ein Blick in eine Liste „echter Gefühle“ leistet hier gute Dienste

Ein Blick in eine Liste „echter Gefühle“ leistet hier gute Dienste. Da stehen Wörter wie irritiert, verbittert, … Nein, das trifft es nicht – aber enttäuscht, frustriert, das spricht mich an. Langsam komme ich in Kontakt mit mir. Ich lege eben viel Wert auf eine saubere Küche. Ja – und ich möchte ernst genommen werden, respektiert werden. Ja, genau – das ist es! Mein Ärger von eben flaut ab.

Zwei meiner Kollegen kommen in die Küche. Ich spreche sie an: „Wenn ich das Geschirr hier sehe, bin ich enttäuscht. Ich möchte gern respektiert werden, wenn ich mir wünsche, dass hier jeder selbst seine Sachen wegräumt. Würdet ihr mir bitte sagen, was euch daran hindert, es zu tun?“

Ich spüre eine gewisse Betroffenheit bei den beiden. Räuspern. Während der eine Kollege die Spülmaschine einräumt, meint er: „Weißt du, das ist die Macht der Gewohnheit. Werde künftig
mehr darauf achten.“

Emotionale Reaktionen ernst zu nehmen und auf diese Weise konstruktiv mit ihnen umzugehen, bewirken Verbindung und Kontakt – zu mir selbst und zu meinen Mitmenschen. Das Leben wird lebenswerter, liebenswerter, leichter und bunter …

So gesehen: Gefühle am Arbeitsplatz? – Ja bitte!

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