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Wertschätzung ohne Kontrolle ist plumpe Schmeichelei

Ein Beitrag von Ulrich zur Strassen

Eine Mitarbeiterin meiner Frau erzählt zum wiederholten Mal von einem Erlebnis mit ihrem damaligen Chef. Diese Begegnung brannte sich in ihr Gedächtnis ein und sie schwärmt heute noch von ihm ...

„Er kehrte von einem Rundgang durch den Betrieb in sein Büro zurück. Auf diesem Weg trafen wir uns zufällig. Dabei sprach er mich sofort an: „Martha, ich bin dir so dankbar. Jedes Büro, jeder Raum – alles tipptopp in Ordnung. Du weißt gar nicht, wie mich das freut. Mir ist ein guter Gesamteindruck bei unseren Kunden sehr wichtig. Drum bin ich so froh, dass ich mich da voll auf dich verlassen kann!“

Nur eine Schmeichelei des Geschäftsführers – oder tatsächliche Wertschätzung?

„Ich führe mein Team lieber mit Wertschätzung als über Kontrolle, das ist ja ‚old school‘. Nur manchmal habe ich den Eindruck, es kommt bei denen nicht wirklich an“, meinte neulich eine Teilnehmerin eines Führungs-Workshops. Die anderen Teilnehmer nickten andächtig oder nachdenklich.

Halten Sie einen kurzen Moment inne. Welche Assoziationen verbinden Sie mit den Begriffen ‚Kontrolle‘ und ‚Wertschätzung‘?

  • In der Regel bewerten viele Menschen Kontrolle als etwas Negatives, was mit Misstrauen, Hierarchie und autoritären Vorgesetzten zu tun hat.
  • Dagegen verbinden sie mit Wertschätzung positive Eigenschaften: z. B. modern, zeitgemäß, mitarbeiterorientiert und kooperativ.

Aber stimmt das tatsächlich so einseitig?

Nähern wir uns dem Wort Kontrolle von seiner ursprünglichen Bedeutung her, ändert sich auch unsere Persepktive: Kontrolle heißt eben nicht Überwachung und Misstrauen. Die Ableitung aus dem Französischen/Lateinischen heißt so viel wie ‚Gegenrechnung‘ (das Ende der Schriftrolle/Rechnung mit dem Anfang abgleichen).

Was bedeutet das für unsere tägliche Zusammenarbeit?

Nicht den Menschen kontrollieren – sondern das Ergebnis!

Ich schaue mir das Resultat einer Arbeit genau an und gleiche es mit dem ursprünglichen Ausgangspunkt, also meiner Erwartungshaltung ab. Anschließend reflektiere ich, was diese Leistung für das Team, für das Unternehmen und für mich bedeutet. Ich schätze also im besten Sinne des Wortes den Wert der Leistung ein.

Nur jetzt bin ich in der Lage, authentisch und konkret mit meinem Gegenüber, egal ob Mitarbeiter, Kollege oder auch Chef, ‚wert-schätzend‘ zu sprechen. Deswegen war für die Bekannte meiner Frau das Erlebnis mit ihrem Geschäftsführer so bedeutsam, so prägend.

Das gilt aber nicht nur bei positiven Ergebnissen. Gerade auch bei fehlerhaften oder gar problematischen Resultaten erkenne ich im besten Sinne nicht nur die Abweichungen, sondern kann nun die eingeschlagene Vorgehensweise kontrollieren (‚die Schriftrolle Schritt für Schritt auf die Abweichungen durchschauen‘), mögliche Ursachen erkennen, diese mit den Betroffenen besprechen und Verbesserungen initiieren.

Anstatt den Mitarbeiter zu verurteilen oder mit pauschalen Vorwürfen zu überfallen, ermögliche ich so eine Entwicklung in der Zusammenarbeit. Das ist nicht nur wert-schätzend, sondern auch wert-steigernd.

Kontrolle gehört zur Wertschätzung dazu

Diese Art von Kontrolle ist kein Widerspruch, sondern viel mehr der Kompagnon der Wertschätzung, also die Voraussetzung für tatsächlich gelebtes Wert-schätzen. Ansonsten verkommt das Feedback an andere schnell zur netten, pauschalen Schmeichelei bzw. pauschaler Kritik. Die Führungskraft wird nicht ernst genommen – wirkt also kontraproduktiv.

Profimusiker oder -sportler wissen um diesen Zusammenhang. Permanent verfolgen sie eigene und fremde Konzerte bzw. Wettkämpfe, um die eigene Leistung einzuschätzen und um anschließend über die Bedeutung der Leistungen zu sprechen. So schaffen sie sich nicht nur ein stabiles ‚Selbst-Bewusstsein‘, sondern motivieren sich über diesen Vergleich immer wieder, sich weiterzuentwickeln.

Schmeicheln Sie noch oder kontrollieren Sie schon ‚wert-schätzend‘?

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